Wasserkraft trägt zur Verschlechterung der Klimaziele bei
Wasserkraftwerke (in Hessen) sind „bedroht“, so war es in den Zeitungen – entsprechend einer dpa-Meldung – in dieser Woche zu lesen, weil die im Fluss/Bach zu belassende höhere Mindestwassermenge gesetzlich erhöht werden musste.
Man könnte auch formulieren: „Die Ökologie unserer Hessischen Fließgewässer ist mit der neuen Mindestwasserregelung einen ganz kleinen Schritt weniger bedroht.“
Seit Jahren hat der Naturschutzverband Hessischer Fischer die Änderung gefordert, dass künftig die im Fließgewässer zu belassende Mindestwassermenge höher sein muss, um dadurch ein Trockenfallen der Ausleitungsstrecken von Wasserkraftanlagen (WKA) aus ökologischen Gründen zu sichern. Die Änderung war notwendig, weil hier gerade bei Niedrigwasser die damals bestehende Regelung zwar behördlich festgelegt, aber weder kontrolliert noch bei nicht Einhaltung sanktioniert wurde. Dem Missbrauch durch die Kraftwerksbetreiber war Tür und Tor geöffnet.
Wasserkraft als grüne zuverlässige Energie darzustellen ist allein dem enormen politischen Druck zur Umsetzung der Energiewende geschuldet. Die zitierte Potenzialstudie des Umweltministeriums, wo in Hessen noch Energiegewinnung aus Wasserkraft möglich sei, war ein Schnellschuss und blinder Aktionismus ohne Berücksichtigung der ökologischen Folgen für unsere Fließgewässer.
Bis heute werden alle Fischarten durch WKA an ihrem Auf- und Abstiegsverhalten gehindert und zum großen Teil stark verletzt und bis zu 80% getötet. Gerade die alten bestehenden Wasserkraftanlagen, die noch ohne jede seit 2009 gesetzlich vorgeschriebene Fischschutzeinrichtung in Betrieb sind, töten praktisch mit behördlicher Genehmigung, da die Behörden bisher noch keinen Kraftwerksbetreiber zum vorgeschriebenen Umbau in die Pflicht genommen haben.
Neue Anlagen wie beispielsweise das genannte Kraftwerk bei Lollar hat zwar wie dargestellt geforderte Fischschutzeinrichtungen installiert, aber eine Untersuchung über deren Funktion steht noch aus und wird von Fischereibiologen sowie Gewässerökologen stark bezweifelt.
Das Einzige, was funktioniert, ist der Borstenfischpass, hier aber nur für das unversehrte Passieren der Kanufahrer. Und das auch nur, nachdem der Kraftwerksbetreiber die Borsten im Kanupass eigenmächtig gekürzt hat.
Dass Wasserkraft klimafreundlich sei und den CO 2-Ausstoss mindere, ist durch verschiedene Studien widerlegt (Uni Koblenz/Landau Saar und Main). Durch die Stauhaltung entsteht mangels Durchfluss und anaerobe Vorgänge am Gewässerboden, das bis 35-fach klimawirksamere (Vergleich zu CO2) Methan. Dieses trägt mit seiner schleichenden Ausgasung zur Verschlechterung der Klimabilanz bei.
Durch Wasserkraftanlagen werden unsere Flüsse ihres Fließcharakters beraubt, wobei das gesamte Ökosystem leidet und zum Rückgang der Artenvielfalt im und am Wasser beiträgt.
Der marginale Beitrag der Wasserkraft, lt. Wolfgang Harms vom Wirtschaftsministerium, von etwa 1,2 % des Nettostromverbrauchs (bundesweit 2,1%) relativiert die Bedrohung der Wasserkraftbetreiber wenn man das Zerstörungspotenzial an Biodiversität unserer Gewässer und die schlechte Klimabilanz gegenüberstellt. Der Naturschutzverband Hessischer Fischer sieht eine größere Bedrohung durch die politischen Entscheidungsträger im Hessischen Umweltministerium. Denn aktuelle Ereignisse, wie der Eintrag von Gülle (Nitrat), Pflanzenschutzmitteln und Insektiziden, direkt oder indirekt in unsere Gewässer, müssten allen Tier- und Naturschutzverantwortlichen zeigen, dass nur die selbstreinigende Kraft der fließenden Welle unsere Flüsse noch retten können. Das Hessische Umweltministerium ist von dieser Erkenntnis leider noch weit entfernt und trägt mit seiner Gewässerpolitik zum schleichenden Sterben unserer Gewässer bei.
Günter Hoff-Schramm
Wehr nur schwach überströmt – Mindestwasserregelung nicht beachtet
Ein Jungfischhabitat auf einer Strecke von 200 m unterhalb des Wehres geht verloren.
Foto: ghs/VHF