Ungewisse Zukunft für den Aal
Artikel 4
von Horst Stolzenburg
Hemmungslose Jagd auf die Glasaale
- Tonnenweise werden die Tiere vermarktet
- Krankheiten und Parasiten schwächen den Fisch
- Hohe Belastung der Elterntiere mit Giftstoffen
Die Gründe für den dramatischen Rückgang des Aales sind vielfältig. An erster Stelle ist der massive Glasaalfang vor den europäischen Flussmündungen zu nennen. Schwerpunkte sind dabei die Länder Frankreich, England, Spanien, Portugal. Glasaale sind die 5 bis 6 Zentimeter langen, durchsichtigen Jungfische des Aales, die einen viele tausend Kilometer langen Weg aus dem Sargassomeer (Karibik) hinter sich gebracht haben, dem traditionellen Laichgebiet des Wanderfisches. Und diese Fischchen sind als Delikatesse in vielen Ländern hoch begehrt. Tonnenweise werden sie mit engmaschigen Netzen von Berufsfischern gefangen und für teures Geld vermarktet. Ein Kilogramm wird inzwischen für bis zu 1.000 Euro gehandelt. Das sind ungefähr 2.800 Tiere, die für Liebhaber dieser zweifelhaften Gaumenfreude ihr Leben lassen müssen.
Glasaale werden deutschlandweit ausgesetzt
Die Bestände der Glasaale sind in den letzten Jahren dramatisch eingebrochen. Der kommerzielle Fang reduziert die Fische in großem Stil.
Fotos: Horst Stolzenburg
Dr. Klaus Wysujack, vom Thünen-Institut Hamburg, ging dazu in einem Referat vor Oste-Pachtgemeinschaft der Frage nach, wie der drohende Zusammenbruch der Aal Bestände verhindert werden kann: “Die Situation des Europäischen Aals – was können wir tun?”
“… als problematischer sind die Glasaalfischerei und vor allem die Verwendung der Glasaale anzusehen. Nach einer Studie aus dem Jahr 2002 geht der größte Teil aller Glasaale in die Aquakultur (45%), überwiegend nach Asien. Etwa 20 % werden direkt verzehrt, weitere 20 % stehen für Besatz in europäischen Gewässern zur Verfügung und etwa 15% wandern natürlich in die Gewässer ein. In Anbetracht der derzeitigen Bestandssituation ist dies ein nicht zu rechtfertigendes Ungleichgewicht.”
Auch dem Kormoran wird ein negativer Einfluss auf die sinkenden Aalbestände zugeschrieben. Wysujack meint dazu: “Die Kormoranbestände haben sich in Europa in den letzten Jahrzehnten explosionsartig vermehrt. Kormorane sind obligatorische Fischfresser und haben einen Nahrungsbedarf von ungefähr 450 – 500 g Fisch pro Tag. Der Einfluss auf die Fisch- und insbesondere die Aalbestände ist regional unterschiedlich einzuschätzen. Obwohl die Thematik umstritten ist, existieren mittlerweile einige Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass Kormorane auch im Vergleich zu den Erträgen der Binnenfischerei durchaus erhebliche Mengen an Aalen entnehmen. Eine erste, sehr grobe Abschätzung des Kormoranfraßdrucks auf Aale auf europäischer Ebene ergab eine Konsumtion von jährlich etwa 2.000 bis 5.000 t, also etwa 15-40% der kommerziellen Fänge. Angesichts solcher Zahlen sind die Forderungen aus der Fischerei nach einem europaweiten Kormoranmanagement und einer Reduzierung der Kormoranzahlen nicht verwunderlich.”
Dr. Wysujack bewertete aber noch weitere Faktoren, die der Gesundheit der Aale zusetzen: “Die größten Risiken für den Aalbestand scheinen sich weniger aus Katastrophenereignissen, sondern aus chronischen Belastungen mit bestimmten Schadstoffen zu ergeben. So deuten neuere Untersuchungen darauf hin, dass bereits sehr geringe Konzentrationen von dioxinartigen PCBs (polychlorierte Biphenyle) in den Elternfischen zu Schädigungen während der Embryonalentwicklung führen können und dadurch eine erfolgreiche Reproduktion derart belasteter Aale infrage stellen.
Der Nematode Anguillicola crassus, der ursprünglich beim japanischen Aal auftrat und sich seit Anfang der 80er Jahre auch in Europa massiv ausgebreitet hat, besiedelt die Schwimmblase der Aale und führt dort zu teilweise erheblichen Schädigungen. Untersuchungen belegen, dass die mit dem Befall verbundenen Schädigungen den Energieverbrauch der Fische erhöhen, sodass in Anbetracht der langen Wanderung das Erreichen des Laichgebietes möglicherweise erschwert wird. Zudem sind Probleme beim Druckausgleich während der ozeanischen Wanderung wahrscheinlich. Viruserkrankungen können die Leistungsfähigkeit der Aale bei ihren langen Wanderungen stark beeinträchtigen. Bei Schwimmversuchen starben mit EVEX (Eel Virus European X) infizierte Aale nach 1.500 km, während die Kontrollgruppe die volle Distanz problemlos absolvierte. Die Entfernung zur Sargassosee beträgt zwischen 5.500 und 7.000 km.”
Der Nematode Anguillicola crassus, der ursprünglich beim japanischen Aal auftrat und sich seit Anfang der 80er Jahre auch in Europa massiv ausgebreitet hat, besiedelt die Schwimmblase der Aale und führt dort zu teilweise erheblichen Schädigungen. Untersuchungen belegen, dass die mit dem Befall verbundenen Schädigungen den Energieverbrauch der Fische erhöhen, sodass in Anbetracht der langen Wanderung das Erreichen des Laichgebietes möglicherweise erschwert wird. Zudem sind Probleme beim Druckausgleich während der ozeanischen Wanderung wahrscheinlich. Viruserkrankungen können die Leistungsfähigkeit der Aale bei ihren langen Wanderungen stark beeinträchtigen. Bei Schwimmversuchen starben mit EVEX (Eel Virus European X) infizierte Aale nach 1.500 km, während die Kontrollgruppe die volle Distanz problemlos absolvierte. Die Entfernung zur Sargassosee beträgt zwischen 5.500 und 7.000 km.”
Untersuchungen an Messstationen in der Nordsee ergaben, dass hier der Glasaalbestand heute unter 3 Prozent dessen beträgt, der in den 80er Jahren noch vorhanden war. Dieser Abwärtstrend setze sich fort, wissen Fachleute zu berichten. Weitere Gründe für den Exodus der Tiere sind Veränderungen in den ozeanischen Strömungen durch den Klimawandel, Schadstoffe in den Gewässern, Parasiten und Krankheiten. Die verhängnisvollen Auswirkungen der Nutzung der Wasserkraft kommen noch hinzu sowie, wie bereits angesprochen , die völlige Entwertung ihrer Lebensräume
Vom Verzehr der Aale wird dringend abgeraten
Aufgrund der Belastungen der Fische mit krebserregenden Substanzen (Dioxin, PCB) sprach das Land NRW eine Verzehrempfehlung durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV), im Juli 2012 aus. Demnach sollen die Angler vorläufig auf den Verzehr der Tiere verzichten. Gesundheitsgefährdungen sind nicht ausgeschlossen.
Ähnlich lautet die Verzehrempfehlung des Landwirtschaftsministeriums in Niedersachsen: “Infolge der hohen Gehalte an Dioxinen und dioxinähnlichen PCB ist grundsätzlich vom Verzehr von Aalen abzuraten. Dies trifft für Aale aus allen untersuchten Flussabschnitten zu. Bei Aalen aus der Elbe kommt noch eine vergleichsweise hohe Belastung an Chlorpestiziden hinzu.”
Für Pessimisten ist es bereits jetzt zu spät für den Aal
Ob die angesprochenen Schutzmaßnahmen langfristig dem Aal wieder eine Perspektive eröffnen, ist zurzeit eine offene Frage. Eine Expertin gibt unumwunden zu, dass es für die Zukunft des Fisches zappen düster aussehe. Neben all den genannten limitierenden Faktoren kommt noch die Gewissheit hinzu, dass der Wanderfisch vielerorts an bundesdeutschen Flüssen vor unüberwindbaren Barrieren landet, wenn er auf seiner Wanderschaft unterwegs ist. In Nordrhein-Westfalen sind es alleine über 14.000 sogenannte Querbauwerke (Wehre, Stauhaltungen, Kraftwerke), die dem Fisch die freie Passage in seinen angestammten Lebensraum verwehren. Angesichts dieser Lebensbedingungen hat es der Aal schwer, sein Auskommen zu finden, weil der Mensch die Nutzung seines Lebensraumes anderen Zielen untergeordnet hat. Zu Lasten der Natur, die wieder einmal nur zweiter Sieger bleibt. Viele Fachleute unken jetzt schon, dass es für den Fisch bereits “fünf nach Zwölf sei. Daher zähle jeder Aal, der ungehindert in seine Laichgebiete abwandern könne.
Das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit kommt angesichts der massiven Gefährdungen des Aales zu der Einschätzung: “Vor dem Hintergrund des weltweiten Rückgangs und dem vermutlich großen Einfluss klimatischer Veränderungen für die Art können die Zukunftsaussichten für den Aal abschließend nur mit großen Unsicherheiten bewertet werden. Aufgrund der akuten Gefährdungen lässt sich der Erhaltungszustand des Aals vorbehaltlich der Entwicklung der nächsten Jahre nur als “schlecht” darstellen.” Düstere Aussichten für den schmackhaften Speisefisch.