Es soll auf der Erde etwa 8 Millionen Tier- und Pflanzenarten geben, wird von der UNO in einem aktuellen Bericht aufgezeigt. In den nächsten Jahrzehnten geht der Weltrat für Biodiversität  (IPBES) davon aus, dass viele weitere Arten verschwinden könnten. Laut dem Bericht, an dem Wissenschaftler aus der ganzen Welt mitarbeiten, sind bereits mindestens 20 Prozent der terrestrischen Arten verloren gegangen. Der dramatische Artenschwund sei seit 1900 zu erkennen. Mehr als 40 Prozent der Amphibienarten, fast 30 Prozent der riffbildenden Korallen und mehr als ein Drittel aller marinen Säugetierspezies seien bedroht.

Nach Meinung der Autoren des IPBES-Berichtes hängt die rasante weltweite Entwicklung bei den Verlusten mit der schnellen Zunahme der Weltbevölkerung sowie der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. So hätten sich die landwirtschaftlichen Ernteerträge seit 1970 verdreifacht und der Holzeinschlag verdoppelt. Darüber hinaus würden 60 Milliarden Tonnen erneuerbare und nicht erneuerbare Rohstoffe und Ressourcen alljährlich abgebaut, was der doppelten Menge wie 1980 entspräche.

Aber gerade die höheren Erträge der Landwirtschaft, die auf einer effektiveren Bewirtschaftung und Bodenbearbeitung als auch auf höheren Düngemittelgaben und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (Herbizide) zurückzuführen sind, hat sich die Weltbevölkerung rasant vermehrt. Letztlich haben auch neue Arzneimittel und geringere Kindersterblichkeit dazu beigetragen. Dadurch ist der Mensch selbst zum größten Problem auf der Erde geworden.

Unsere Natur betreffend haben alle geschaffenen Gesetze zum Umwelt- und Naturschutz fast nichts bewirkt, die Artenvielfalt ist überall rückläufig, viele Arten sind bereits verloren gegangen und viele weitere werden folgen.

In den Fließgewässern sieht es wohl am schlechtesten aus. In diesen durch unsere Landschaft verlaufenden „Lebensadern unserer Landschaft“, in die letztlich fast alles über unzureichend gereinigtes Abwasser eingetragen wird, ist der Artenschwund am größten. Die Fließgewässerarten  sind auf Gedeih und Verderb an den Lebensraum gebunden und können bei Gefahr noch nicht einmal fliehen. Zu hohe Nährstofffrachten, Medikamentenrückstände, Herbizide und vieles mehr, verhindern sogar die Fortpflanzung der Wasserorganismen und man hat keinerlei geeignete Möglichkeiten, diesen Problemen Herr zu werden. Da viele Insektenarten ihr Larvenstadium teils über mehrere Jahre im Wasser verbringen, wird hier dem enormen Insektenschwund Vorschub geleistet.

Auch hat man alle Fließgewässer kanalisiert, verbaut, gestaut und sie des wichtigen Fließkontinuums und damit ihrer Selbstreinigungskraft, der Biodiversität, der guten Struktur und der Durchgängigkeit beraubt. In den Stauhaltungen erzeugt man durch zwangsläufige Faulschlammbildung sauerstofffreie Bereiche und massenhaft Methan und Lachgas, welche 35- bzw. 300-fach klimawirksamer sind als CO2! Hinzu kommt noch durch viel zu hohe Phosphat-Gehalte die Massenalgenbildung vor allem im Frühjahr, bei der am Tage hohe O2-Übersättigungen (bis 250%) und in der Nacht bis zum frühen Morgen O2-Defizite bis nahe Null erzeugt werden. Durch biogene Entkalkung steigt dabei der pH-Wert bis >pH10 an, wobei dann das im Wasser befindliche harmlose Ammonium zu >80% in hoch toxisches Ammoniak umgewandelt wird. Wie viele Fische dabei elendig leiden und umkommen, ist nicht zu ergründen. Zieht man Fachliteratur heran, so dürfte dabei (fast) nichts überleben.

Alle diese Umstände bewogen die Europäische Union im Jahre 2000 die EU-Wasserrahmenrichtlinie und 2011 die EU-Biodiversitätsstrategie zu verabschieden.

Die EU-WRRL sollte eigentlich bis 2015 soweit umgesetzt sein und die gute Struktur, die gute Wasserqualität und die auf- und abwärts gerichtete Durchgängigkeit erreicht sein. Doch geschehen ist fast nichts, wie aus einer Kleinen Anfrage (Drucksache 19/5812) vom 16.11.2018 zu entnehmen ist. Danach sind 93 Prozent der Fließgewässer in keinem ökologisch guten Zustand und der artenreiche Lebensraum Fluss gilt als weitgehend zerstört und für typisch vorkommende Fisch- und Pflanzenarten gibt es kaum noch einen intakten Lebensraum.

Die EU-Biodiversitätsstrategie fordert, dass die Fließgewässer und Auen wieder als Einheit die Lebensadern unserer Landschaft bilden sollen. Dazu müssen Flussbegradigungen beseitigt, Wehre abgebaut und die funktionierende Durchgängigkeit wieder hergestellt werden. 79 Prozent der Fließgewässer sind in Struktur deutlich bis vollständig verändert und nur 6,7 Prozent haben nach WRRL einen guten ökologischen Zustand. Die Gewässerstruktur und die Nährstoffsituation sind unbefriedigend und mehr als 93 Prozent der Fließgewässer weisen keine gewässertypspezifischen aquatischen Lebensgemeinschaften (Fische, Makrozoobenthos, Wasserpflanzen) mehr auf. Hinzu kommen zunehmend gebietsfremde Arten (Neozoon).

Die ökologische Gewässersanierung und der Gewässerschutz wurden allerdings immer weiter ausgetrocknet und fast keine Maßnahmen umgesetzt. In der hessischen Biodiversitätsstrategie wurden Bienenkörbe auf den Hochhäusern der Städte für gut befunden. In Gewässern werden zwar Wiederansiedlungsprojekte von Lachs, Meerforellen, Maifischen, Edelkrebsen vorgenommen, doch erweist sich das immer mehr als sinnlos, da die anderen Voraussetzungen zum Erfolg  der Maßnahmen wie Durchgängigkeit, gute Wasserqualität oder gute Struktur etc. in den kleinen und vor allem großen Fließgewässern nicht zielführend umgesetzt wurden und werden.

Ein geradezu kontraproduktives Projekt zur EU-Wasserrahmenrichtlinie wie ebenso zur EU-Biodiversitätsstrategie ist ein LIFE-Projekt an der Lahn „LiLa-Lahn“, welches vom Wasser- und Schifffahrtsamt Koblenz (!) im Rahmen des am 1. Februar 2017 vom Bundeskabinett beschlossenen „Bundesprogramm Blaues Band Deutschland“ angestoßen wurde,  die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz konnten hierfür (leider) gewonnen werden. Anstatt Umsetzung der EU-WRRL sollen mit diesem Bundesprogramm besonders an Nebenwasserstraßen (z.B. ehemaligen Bundeswasserstraßen) „neue Akzente in Richtung Natur- und Gewässerschutz, Hochwasservorsorge sowie Wassertourismus, Freizeitsport und Erholung“ gesetzt werden.

In dem seit knapp 2 Jahren laufenden Projekt sollen weder Wehre abgerissen noch Stauhaltungen beseitigt werden, damit weiterhin Freizeit-Motorschiffe und Yachten, Drachenboote u.a. auf der Lahn verkehren und permanent erhebliche ökologische Schäden anrichten können. Wer für die Schäden nach Umwelthaftungsgesetz dann aufzukommen hat, wird noch zu klären sein. Auch Radwege direkt entlang der Ufer, stellen eine für viele Arten eine unüberwindbare und tödliche Barriere dar. Die Durchgängigkeit soll (mit überall in der Welt nicht funktionierenden) Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlagen hergestellt werden, da Fische – und wenn diese Anlagen vergoldet wären – sie nicht annehmen würden.

Die tierschutzwidrigen, jährlich 80 Prozent der 0+ Fischgeneration tötenden, massenhaft andere Fische aller Arten vernichtenden und Aale ausrottenden Wasserkraftanlagen, mit einer minimalen „blutroten“ Öko-Stromproduktion, sollen ebenso weiter betrieben werden.

Dieses Projekt, das erst 2017 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, dient nach seinem Inhalt klar und eindeutig der gezielten und gewollten Aushebelung der EU-Wasserrahmenrichtlinie als auch der EU-Biodiversitätsstrategie, deren Umsetzungen auch für Mitgliedsstaat Deutschland von der EU vorgegeben sind und Gesetzescharakter haben. Das gerade die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung der Initiator dieses dubiosen Projektes ist, liegt wohl eindeutig daran, dass man die schon lange sinnlosen Arbeitsplätze der Beschäftigten an der Lahn sichern möchte und derzeit mindestens 8 Millionen Euro jährlich für eine sinnlose Unterhaltung einer Pseudo-Bundeswasserstraße aus dem Fenster schmeißt.!

Wir fordern hier, dass die EU-Kommission hier sofort eingreift und dieses eindeutig gesetzwidrige Verhinderungsprojekt der EU-Vorgaben WRRL und Biodiversitätsstrategie verbietet.

Wenn überall in Europa die durchaus vernünftigen gesetzlichen EU-Vorgaben zwecks Erhaltung und Sicherung von (weltweit einer Million) vom Aussterben bedrohten Arten von nationalen Regierungen oder Parlamenten zwecks Umgehung von wirksamen  Natur- und Artenschutzvorgaben ausgehebelt werden, so wird der Anfang Mai 2019 vom „Weltrat für Biodiversität (IPBES) prognostizierte Verlust von die Menschheit bedrohender Artenvielfalt wohl unumgänglich sei. Hier muss sofort gehandelt werden!

Winfried Klein
VHF-Referent Öffentlichkeitsarbeit


Ein an die Lahnmündung zum Laichen zurückgekehrter Lachs scheitert an der nicht vorhandenen Durchgängigkeit, die eigentlich nach EU-WRRL bis 2015 hätte vorhanden sein müssen
Foto: W. Klein