Wie können Gewässer vor den Schadstoffen geschützt werden ?
Jeder kennt die Situation: Trockene heiße Sommertage, die mit einem erfrischenden und abkühlenden Gewitterregen beendet werden. Für die Wasserbewohner wie Insektenlarven, Fische und Muscheln ist das aber nicht unbedingt als Erfrischung anzusehen, denn oft gelangt von Straßen und versiegelten Flächen mit einem Schlag ein Schwall von Schadstoffen wie Reifenabrieb, Motor- und Hydrauliköl aus dem Straßenverkehr auf direktem Weg in die Flüsse. Zu diesem Zeitpunkt führen die Flüsse meist Niedrigwasser. Das heißt, die Flüsse leiden bereits an Sauerstoffmangel und hohen Anteilen an Brauchwasser- Einleitungen wie Klärwerkszuläufe.
In jüngerer Zeit hat sich ein neu entdeckter Schadstoff aus dem Abrieb von Reifen als besonders schädlich erwiesen (Lit1) Es handelt sich um das Abbauprodukt eines im Reifengummi vorhandenen Zusatzstoffs, der zur Stabilisierung der Gummimischung dient und mit dem Reifenabrieb über die Straßen mit dem Regen in die Gewässer gelangt. Bei der Substanz, abgekürzt 6PPD, handelt es sich um ein sogenanntes Benzochinon. Biochemische Versuche mit Lachsen und Forellen haben eine extrem hohe Toxizität gezeigt. Beispiel Regenbogenforelle: Bereits 1 mg in 1000 Liter Wasser führt zum Tod der Hälfte der Fische (sogenannter LD 50 Wert). Im Hessenfischer Juni 2023 haben wir bereits darüber berichtet. Aber anstatt diese Schadstoffe vom Gewässer fern zu halten, ist es immer noch Usus das Oberflächenwasser von Straßen und Brücken direkt in die Gewässer zu leiten.
Einleitung von Oberflächenwasser der A9 in die Amper bei Allershausen/Bayern
Immerhin gibt es auch Beispiele, wo man Brückenabwässer in Rohrleitungen sammelt und neben dem Gewässer in die Flussaue ableitet.
Sammlung des Oberflächenwassers einer Flussbrücke und Einleitung in die Flussaue
In neueren Autobahnprojekten wird an bestimmten Abschnitten mit hohem Gefälle das Regenwasser in Becken geleitet, wo ein Absetzprozess und ein gewisser biologischer Reinigungsprozess eintreten kann, bevor das Wasser abgeleitet wird.
In unserem örtlichen Fischereigewässer, der Lahn in Marburg, haben wir uns bemüht, die Stadt auf das Problem aufmerksam zu machen. Hier läuft das Oberflächenwasser der vielbefahrenen „Stadtautobahn“ B3a auf 2 km Länge in zahlreichen Rohren direkt in die Lahn.
Direkte Einleitung des Regenwassers der „Stadtautobahn“ (B3a) in Marburg
Obwohl entlang der gesamten Strecke am Flussufer entlang ein Abwassersammler verläuft, sieht die Stadt keine Möglichkeit das Regenwasser dem Kanal zuzuführen und verweist auf die begrenzte Kapazität der Leitung, die die Wassermenge eines Starkregens nicht aufnehmen könne. Für ein Rückhaltebecken, welches das Wasser nach einem Starkregen dosiert an die Kläranlage abgeben könnte, fehle der Platz.
Es ist jedoch nicht erforderlich, die gesamte Regenwassermenge in die Kanalisation abzuleiten, denn der Großteil der Schadstoffmenge befindet sich in dem anfänglich abgeschwemmten Wasser. Wenn dieses aufgefangen ist, könnte das im weiteren Verlauf anfallende Regenwasser weiterhin in das Gewässer abgeleitet werden. Und in der Tat, es gibt technische Lösungen für dieses Problem:
Um den ersten Regenablauf zu trennen, sind Drosselanlagen geeignet. Hierbei sind mechanische Anlagen verfügbar, die über eine Verengung im Ablauf der Straße zunächst geringe, erste Regenmengen in die Abwasserkanalisation fließen lassen. Steigt die Regenmenge, füllt sie ein Rohr, in dem sich ein Schwimmer befindet, der einen Schieber schließt. Das Wasser wird dann direkt über einen Überlauf in das Gewässer abgeschlagen (Lit 2).
Daneben sind auch Anlagen ohne mechanische Teile verfügbar. Das Verfahren nutzt den Effekt, dass zunächst wenig Wasser ankommt und „fließt“, d.h. der Oberfläche folgt. Wenn man eine Stufe nach unten einbaut, folgt das Wasser dieser Stufe und fließt in den Schmutzwasserkanal. Kommt dann mehr Wasser, gerät das Wasser vom Fließen ins Schießen, d.h. es kommt zu Ablösungen vom Untergrund. Dann überspringt das schießende Wasser die Kluft und kann in das Gewässer abgeleitet werden. Dazu gibt es fertige Lösungen in Betonausführung, die einfach in die Abläufe eingebaut werden können. Eine schematische Darstellung dieses Prinzips ist in der folgenden Abbildung gezeigt.
Prinzip des „Sprungwehrs“ (Quelle Gemeinde Binningen, Schweiz)
Die Nutzung dieses „Wechselsprungs“ wird z.B. im Konzept „leaping weir“ genutzt. Umgesetzt wird dieses Konzept z.B. in Wuppertal (Lit 3) werden.
Man sieht, es gibt technische Lösungen für dieses drängende Problem im Gewässerschutz. Als Angler sollten wir in unseren Vereinsgewässern auf den Missstand der Einleitung schädlichen Oberflächenwassers hinweisen und auch Politik und Verwaltung klarmachen, dass Abhilfe möglich ist, wenn man nur will.
Dr. U. Becker und Dr U. Koop
Literatur:
- https://www.sueddeutsche.de/wissen/umwelt-gift-fische-fischsterben-lachs-reifen-1.5139040
- Drosseleinrichtungen an Regenbecken, aus: Hager, W.H. (1990): Abwasserhydraulik, Kapitel 20
- Leitfaden qualitätsabhängige Kanalnetzsteuerung, [1]https://www.project.uni-stuttgart.de/samuwa/img/pdfs/leitfaden_qualitaetsabhaengige_kanalnetzsteuerung.pdf