Ungewisse Zukunft für den Aal
Artikel 5
von Horst Stolzenburg
Zahl der Aallarven ist auffällig zurückgegangen
- Bundesforschungsinstitut für Fischereiökologie verstärkt die Aalforschung in der Sargassosee
- Bisher wurden noch keine Eier oder laichende Fische gefunden
Die Rätsel des Lebenszyklus des Aales beschäftigen die Forscher seit Jahrzehnten weltweit. Das Geheimnis seiner Vermehrung in den Tiefen der Sargassosee – dem Laichgebiet des europäischen und amerikanischen Aales – ist weitgehend nicht gelüftet. Viele Fragen sind offen und vor dem Hintergrund seiner aktuellen Bedrohung kommt der Grundlagenforschung eine besondere Bedeutung zu. Man weiß nur so viel, dass die amerikanischen Aale offensichtlich im westlichen Gebiet der Sargassosee laichen und die europäischen im östlichen.
Dr. Reinhold Hanel, vom Thünen-Institut für Fischereiökologie, war 2011 bei der ersten deutschen Forschungsfahrt seit Jahren in die Sargassosee dabei. Ein international besetztes Wissenschaftlerteam wollte bei der achtwöchigen Expedition besonders mehr über das Vorkommen der Aallarven in Erfahrung bringen und stellte in einer ersten Analyse fest, dass die Menge der Aallarven im Vergleich zu früheren Jahren deutlich zurückgegangen ist. Eier oder gar laichende Aale konnte bisher noch niemand in dem riesigen Meeresgebiet – nordöstlich der Bermuda-Inseln – von der Größe Europas finden.
Die Experten waren genau zur vermuteten Laichzeit (März/April) der Aale vor Ort und erhofften sich nähere Erkenntnisse über die Größe des Laichareals, um entscheidende Umweltfaktoren besser eingrenzen zu können. Außerdem sollten u. a. mit Sendern versehene Aale ausgesetzt werden, um deren Schwimm- und Wanderverhalten sowie ihre Wanderwege verfolgen zu können. Die Forscher fingen eine Vielzahl von Larven und Plankton. Die fast 2.000 konservierten Larven verschiedener aalartiger Fische sowie das Plankton werden im Institut genauer analysiert. Dazu gehören unter anderem die Entnahme und Auswertung der Gehörsteinchen der Larven, die genaue genetische Analyse zur Art-Identifikation und zur Populationszugehörigkeit, Analysen des Darminhalts zur Klärung des Beutespektrums sowie weitergehende Untersuchungen zur Kondition (prinzipiell eine Art “Gesundheitszustand”) der Larven.
Der Einbruch der Aalbestände in Europa löst auch bei den Wissenschaftlern ernste Befürchtungen aus. Dr. Reinhold Hanel: “Nicht zuletzt weil der Aal von so großer Bedeutung für die deutsche Fischerei ist, ist seine gegenwärtige Bestandssituation besorgniserregend. Das Glasaal-Aufkommen an den europäischen Küsten liegt seit den späten 70er Jahren nur noch bei rund 1 bis 5 % des langjährigen Mittels.” Es gibt auch unter den Forschern Spekulationen darüber, wo die Gründe für den Niedergang der Aalbestände zu suchen sind. Eine Theorie geht davon aus, dass klimatische Faktoren die wesentliche Rolle spielen könnten. Zum Beispiel könnten durch eine Veränderung der Meeresströmungen (Golfstrom) die abwandernden Aallarven verdriftet und nicht mehr in Richtung europäisches Festland getragen werden. Bedeutung haben natürlich auch andere Faktoren bei den Elterntierbeständen in den Flüssen (Parasiten, Krankheiten, Fressfeinde, Ausfälle an Wasserkraftwerken, Fischerei).
Weil das Sargassomeer ein so wichtiger Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen ist, gibt es inzwischen internationale Bestrebungen das Gebiet gänzlich unter Schutz zu stellen, was aufgrund juristischer Fragen nicht so einfach ist. Die Sargasso Sea Alliance ist eine Partnerschaft, die von der Regierung der Bermudas geführt wird, in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, internationalen Meeresschutz-Gruppen und privaten Spendern. Sie alle teilen eine Vision zum Schutz des einzigartigen und gefährdeten Ökosystems der Sargassosee. Die Allianz will mit Unterstützung vn einer Vielzahl von nationalen und internationalen Organisationen die Regierungen mobilisieren, um den rechtlichen Schutz dieses kritischen Ökosystems zu gewährleisten und Erkenntnisse für die Errichtung von weiteren Marine Protected Areas (MPA,) also Meeresschutzgebieten, auf hoher See bieten. Immerhin gelang es japanischen Forschern im Jahr 2009 beim japanischen Aal Eier in einer Tiefe von 150-200 Metern im Pazifik zu finden. Bekannt ist auch die rapide Entwicklung der Larven aus dem Ei. Schon nach 2-3 Tagen sind sie als durchsichtige Vorweidenblattlarven im Dottersackstadium geschlüpft. Nach weiteren Tagen wechseln sie dann ins Weidenblattstadium. Doch dann wird es schwierig. Über die Dauer des Verbleibs in der Sargassosee und den Aufbruch zu ihrer Wanderung, weiß man zurzeit einfach zu wenig. Da die Wissenschaft noch immer viel zu wenig über das Leben dieses rätselhaften Fisches weiß, soll die Aalforschung in Deutschland weiter intensiviert werden. 2014 ist die nächste Expedition in die Sargassosee geplant, um weitere Daten und Informationen zu sammeln. Diese Fahrten sind künftig alle drei Jahre vorgesehen.