Herbstseminar 2017

Themen, die uns beschäftigten

Titel, namhafte Referenten – Thesen, zur Problemlösung – Temperamente, in der Diskussion

Zum VHF-Herbstseminar für Gewässerwarte und Naturschutzbeauftragte kamen zahlreiche Teilnehmer nach Alsfeld / Eudorf. Kleiner Wermutstropfen ist die Unsitte Mancher, trotz Anmeldung nicht zu erscheinen. Die Hütte wäre sonst voll gewesen.

Die Referenten mit ihren Themen:Dr. Julia Gaye-Siessegger, Kormoran und Fische

Dr. Thomas Klefoth, Management von Baggerseen und Projekt Wasserpest

Edwin Freudl, Wiederansiedlung des Edelkrebses in Kasseler Bächen

Rainer Hennings, Projekte der WRRL in Hessen

Zum Start des Seminares wurden von Rainer Hennings, VHF-Referent Naturschutz, konkrete Projekte der WRRL in Hessen vorgestellt, zwei Beispiele für gelungene  Renaturierungsmaßnahmen aus Südhessen:- Gersprenz, Gewässereinzugsgebiet Main- Weschnitz, Gewässereinzugsgebiet Rhein
Um an der Gersprenz Projekte mit Hilfe der WRRL umzusetzen, werden wie hier für die Gersprenz  geschehen, zuerst der Katalog von Maßnahmen die im Rahmen der WRRL zusammengestellt worden sind geprüft, und eine Auswahl getroffen die zur Umsetzung geeignet erscheinen. Geprüft werden u.a. Defizite, die im Fischbestand auftreten, wie das Fehlen von Arten und die Möglichkeit zur Wiederbesiedlung.Anhand der Fischbestandsdaten wurde das Artenaufkommen überprüft  und 17 Arten aus 4 ökologischen Gilden auf Defizite abgeprüft. Aus der Vorauswahl von Maßnahmen, die zur Umsetzung anstanden, wurden alle 147 Möglichkeiten für alle 17 Arten und für alle Standorte einzeln überprüft, wo gibt es Grundstücke für Maßnahmen. Wo gibt es gegebenenfalls Restriktionen, die der Umsetzung von Maßnahmen entgegenstehen – wie z.B. Versorgungsleitungen oder auch Artenvorkommen, die vor invasiven Arten geschützt werden müssen. Im Ergebnis fand durch das sog. Trittsteinkonzept eine lineare Aufwertung und durch lokale kleine Maßnahmen eine Strukturverbesserung an einzelnen Trittsteinen statt.

Die Wiedervereinigung der Weschnitzarme “Alte- und Neue Weschnitz” in Lorsch ist eins der größten aktuellen Renaturierungsprojekte in Hessen, wenn gleich die Ideen und Planungen schon sehr lange laufen.Die Umsetzung dieses Projekts wurde letztendlich ermöglicht durch die WRRL (2000), da die Gegebenheiten hier insgesamt gepaßt haben. Die Stadt Lorsch hatte Flächen zur Verfügung gestellt. Unter www.weschnitzinsel.de ist die Dokumentation der Baumaßnahme zu sehen.27 Jahre hat es insgesamt gedauert bis zum Durchstich Neuer und Alter Weschnitz: ein neuer Fluss wurde geboren. 2 Jahre wird es voraussichtlich zur Wiederbesiedlung dauern. Die zwei alten Weschnitzbetten sind trockengefallen und dienen nur noch dem Hochwasserschutz. Eine logistische Leistung war die damit verbundene Fischbergung mit vielen Elektrofischern und Umsiedlung der Tiere. Ca. 75.000 Fische, zehntausende Muscheln, Kleintiere, etc. wurden so gerettet. Kosten rund 3,1 Mio. €, getragen vom Land Hessen.

Dr. Thomas Klefoth, Verbandsbiologe Anglerverband Niedersachsen, hatte gleich zwei Referate mitgebracht:

  • Entwicklungsmöglichkeiten und Strukturmanagement von Baggerseen
  • Projekt Wasserpest „Schluß mit der Pest“

Bei Baggerseen kommt es immer häufiger zur naturschutzfachlichen Problemen, speziell auch auf den Besatz bezogen. Alle Studien hierzu zeigen, daß Besatz  i.d.R. nur dann sinnvoll ist, wenn die natürliche Reproduktion gestört bzw. eingeschränkt ist. Im Zweifel ist bei zu hoher Befischungsintensität Nachhaltigkeit zu üben, und Lebensraumverbesserung anzustreben als Alternative zum Besatz. Strukturverbesserung an vormals strukturarmen Baggerseen ist ein Mittel der Wahl um den Bestand zu sichern. Hechte bevorzugen z.B. stark bewachsene Gewässerflächen, für den Aufwuchserfolg sind entscheidend die Struktur und Versteckmöglichkeiten für die Junghechte vor den eigenen Kollegen, wegen Kannibalismus. Die Untersuchung in einem See in der Schorfheide zeigt mit besenderten Fischen, dass sich die meisten Arten – Barsch, Karpfen, Schleien, Hechte überwiegend im Kraut aufhielten. Welse und überraschenderweise auch einige wenige Schleien hielten sich dagegen oft im Freiwasser auf. Ebenso wie einige jagende Trupps von Barschen. Ein 24h Video der Bewegungen zeigte sehr eindrucksvoll das Verhalten der Fische.
Ein laufendes Projekt „Besatz im Baggersee“ mit 60 % Weißfisch und 40 % aufgeteilt in Zander, Hecht und Schleie wird bis 2022 durchgeführt und dann ausgewertet. In mehreren „Versuchsseen“ werden unterschiedliche Parameter angesetzt um entsprechend aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.Weitere Informationen unter:www.av-nds.de www.bagersee-forschung.de
Konflikte mit starkem Pflanzenwuchs, oft durch invasive Arten wie die Wasserpest, schränkt die Nutzung durch Angeln erheblich ein. Durch Abdecken mit Jutematten sollte in einem Versuch geklärt werden, ob sich diese Methode zur Bekämpfung von Wasserpest eignet. Dazu wurden im Verbandsbereich des AV Niedersachsen mehrere Gewässer ausgewählt um hier Klarheit zu bekommen.  Eine Arbeitsgruppe in Irland, die als erste den Versuch positiv beschrieb, hatte anderes Material zur Verfügung, welches sich besser auf dem Gewässerboden ablegen ließ. Insgesamt konnte das positive Ergebnis aber hier nicht bestätigt werden. Die größten Schwierigkeiten bestanden im lückenlosen Auslegen der großen Mattebahnen. Fazit: Eine Unterdrückung der Wasserpest ist möglich, aber nur temporär und sehr aufwendig. Durch Zersetzung des Jutemateriales nach maximal 3 Jahren ist der Zustand wie vorher.
Siehe auch http://www.av-nds.de/projekte/wasserpest.html

Edwin Freudl, VHF-Naturschutzbeauftragter, Wiederansiedlung des Edelkrebses in Kasseler Bächen

Das Projekt Wiederansiedlung des Edelkrebses (Astacus astacus) geht auf das Jahr 2003 zurück. Erdacht, geplant und durchgeführt durch den Naturschutzbeirat der Stadt Kassel.
Der in den Bächen der Dönche einst beheimatete Edelkrebs, historisch belegt, auch als ursprünglich starker Wirtschaftsfaktor in der Region, war ausgestorben auch in Folge durch Übernutzung.Nach Überwindung aller formaler Hindernisse, wie das Finden eines geeigneten Gewässers,  finanzielle Förderung, bis hin zu der erforderlichen Genehmigung durch das RP Kassel, konnte dann nach langwierigen Verhandlungen das Projekt letztendlich erfolgreich umgesetzt werden. Bis heute ist die Wiederansiedelung erfolgreich, wie die stichprobenhaften Kontrollen auf Häutungsbelege demonstrieren.

Wenn eine geschützte Art geschützte Arten frisst

Dieses Thema wurde auch auf der diesjährigen Tagung der Naturschutzbeauftragten in Stockstadt behandelt. Aufgrund der hohen Brisanz präsentiert Julia Gaye-Siessegger diesen Vortrag nochmals hier auf dem Herbstseminar. In Baden-Württemberg werden seit mehr als 20 Jahren Fischbestandsuntersuchungen an ausgewählten Fließgewässern durchgeführt, um laut Dr. Gaye-Siessegger den Einfluss des Kormorans auf die Fischbestände zu untersuchen. In den Fließgewässern werden mehrere Probestrecken befischt, die hinsichtlich der Struktur und der Wasserqualität vergleichbar sind, die sich aber in Bezug auf die Einflugintensität durch Kormorane unterscheiden. Dr. Gaye-Siessegger sagte, dass dadurch die Unterschiede im Fischbestand stark durch den Faktor Kormoranfraß beeinflusst werden. Sie erläuterte, dass intensive Prädation durch Kormorane zu folgenden Störungen in einem Fischbestand führen können: 1. deutlich geringerer Nachweis von Fischen, die normalerweise eine Gewässerregion prägen, 2. gestörter Alters- und Längenklassenaufbau (Fehlen der Fische, die vor der Reproduktion stehen) und 3. hohe Anzahl verletzter Fische.Frühere Untersuchungen am Knielinger See und einem Fließgewässer haben laut Dr. Gaye-Siessegger gezeigt, dass künstlich geschaffene Strukturen nicht geeignet sind, einem Wegfraß von Fischen durch Kormorane  entgegen zu wirken, vielmehr können Strukturen diesen sogar begünstigen. Die Ergebnisse sind in den Kormoranberichten der Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg dargestellt (www.lazbw.de). Für den Bodensee-Untersee konnte in Mageninhaltsuntersuchungen im Winter 2011/12 und 2012/13 gezeigt werden, dass ein hoher Anteil wirtschaftlich wichtiger Fischarten durch Kormorane entnommen wurde. Auch geschützte Arten, wie Strömer, Bitterling und Mühlkoppe, wurden in Mägen von am Rhein geschossenen Kormoranen gefunden.
Zehn Bundesländer haben derzeit eine Kormoran-Verordnung, zwei Bundesländer (Hessen und Nordrhein-Westfalen) haben Erlasse.  In Baden-Württemberg dürfen nach der derzeit gültigen Verordnung Kormorane außerhalb von Vogelschutzgebieten, Naturschutzgebieten und einigen weiteren Gebieten auf oder an einem Gewässer bis zu einem Abstand von 200 m in der Zeit vom 16. August bis zum 15. März geschossen werden (Flächenlösung), berichtete die Referentin. Nach der Verordnung können höhere Naturschutzbehörden in Einzelfällen Ausnahmen und Befreiungen von dem Verbot des Abschusses in Schutzgebieten zulassen. Derzeit sind in sechs Schutzgebieten Eingriffe möglich.
Die EU-Kommission hat eine Leitlinie mit praktischen Hinweisen zur Anwendung von Ausnahmeregelungen nach der Vogelschutzrichtlinie erarbeitet.Dr. Gaye-Siessegger wies auf wichtige Aussagen in diesem Dokument hin, so wird keine Unterscheidung zwischen Schäden in der Berufs- und Angelfischerei gemacht und es wird  kein Konflikt zwischen einem Kormoran-Management und der Vogelschutzrichtlinie gesehen, sodass also auch das Entfernen und Verhindern von Brutkolonien und Schlafplätzen möglich ist.

Dr. Susanne Vietze, VHF-Fachbeirat Naturschutz
Karl Schwebel, VHF-Referent Gewässer Süd