Nicht nur Probleme mit Insekten und Vögeln

Probleme auch in Gewässern

Seit einigen Jahren schon wird zaghaft und vage über den Rückgang von Insekten und Vögeln in der Natur berichtet. Aufmerksame Beobachter wissen das allerdings schon lange und die Ursachen dafür sind eigentlich auch längst bekannt. Viel schleichender und undurchsichtiger sind die ähnlichen Probleme in unseren Fließgewässern, weil man sie nicht so leicht erkennen kann.

Seit vielen Jahren beobachten wir einen Rückgang bei einigen Fischarten: Brassen und Güster – eigentlich robuste und anspruchslose Fischarten – haben wir z.B. in der Lahn schon verloren. Andere Arten wie Äsche und Barbe als am Gewässerboden lebende Fische, pflanzen sich nur noch unregelmäßig oder gar nicht mehr fort und sogar die Massenfische wie Rotauge oder Ukelei gehen stark zurück und in manchen Jahren haben sie keinen  oder sehr wenig Nachwuchs. Auch der Döbel hat Probleme und zu den seltenen und oft geschützten Kleinfischen kann man nicht viel sagen, weil man sie nicht so einfach beobachten kann.

Seit vielen Jahren sprechen wir die Probleme, die ganz offensichtlich aus Problemen mit Wasserinhaltsstoffen resultieren, offen an und tragen sie den zuständigen Behörden und Institutionen und bei Fortbildungsveranstaltungen vor, leider mit wenig Resonanz.

Leichter erkennen lassen sich die Probleme bei der Wasserflora. Der Flutende Wasserhahnenfuß, der in normalen Jahren bis zu 15 m lang im Fließgewässer „wedelt“ und im Mai-Juni blüht, ist leicht sichtbar. Der aufmerksame Betrachter kann die jährlichen starken Schwankungen dieser wertvollen, sauerstoffspendenden, den Wasserkörper beschattenden und für viele Arten von sonstigen Wassertieren Lebensraum anbietenden Wasserpflanze gut beobachten. In Frühjahren mit Starkregenereignissen und daraus folgenden Hochwassern mit lehmiger Braunfärbung des Wassers, fehlt der flutende Hahnenfuß ganz oder wächst das Jahr über nur sehr spärlich! Fehlen diese oben genannten Hochwasser, dann ist er das ganze Jahr üppig vorhanden und erfüllt seine wertvolle ökologische Funktion. Es erscheint logisch, dass dann auf den Flächen Rückstände von Herbiziden in das Gewässer gelangen und für das Schwächeln der Wasserpflanzen verantwortlich sind. Hier muss daran erinnert werden, dass Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts in den Fließgewässern Deutschlands alle Wasserpflanzen in nur wenigen Jahren gänzlich verschwanden. Wie man heute weiß, waren die Ursache abgeschwemmte Herbizide mit bis 600 Tagen Halbwertzeit, wobei es schnell zu Kumulierungen im Wasser kam. Nach jahrelangem Schriftverkehr mit der Biologischen Bundesanstalt und dem Auffinden dieser langlebigen, verharmlosend genannten „Pflanzenschutzmittel“ (PSM) sogar im Mineralwasser, wurden die PSM (Atrazin, Simazin, Nitrofen) vom Markt genommen und die Wasserflora kehrte nach etwa 3 Jahren – Ende der 90er Jahre – komplett zurück. Der Flutende Hahnenfuß kam als letzte Wasserpflanze zurück und schwächelt heute schon wieder. Dieser reagiert scheinbar am empfindlichsten auf die Einschwemmungen von PSM aus Kläranlagen und Flächen – heute Glyphosat, mit Halbwertzeit lt. BfR von bis zu 152 Tagen –  in die Gewässer und schafft weitere Probleme.

Welche Folgen das Glyphosat jedoch auf Wassertiere hat, ist nicht genau bekannt, doch man weiß, dass es auf die Bienen und wohl auch auf andere Insekten (und uns Menschen (?) eine kapitale Wirkung hat und daher zu Recht verboten werden soll (muss!). Es könnte aber schon viel erreicht werden, wenn sich alle Gemeinden und Bürger in Deutschland daran hielten, z.B. Bürgersteige vor ihren Häusern nicht bei Nacht und Nebel gesetzwidrig mit Herbiziden abzuspritzen. Diese Mittel sind im Handel überall erhältlich und teils frei verkäuflich (Entmoosungsmittel), dürfen allerdings nur in landwirtschaftlich oder „gärtnerischen genutzten Flächen“ (siehe Pflanzenschutzgesetz) angewendet werden. Spritzt der Hausbesitzer seinen Bürgersteig, wird das Gift beim nächsten Regen direkt in Kläranlagen oder über den Kanal im Trennsystem direkt in die Gewässer eingeleitet. Es wirkt verheerend auf die gesamte Fauna und Flora! Sieht man sich die Bürgersteige an, so scheint es nur wenige verantwortungsbewusste Menschen in unserem Lande zu geben.

Da die Fließgewässer aber noch viele andere, alle von uns Menschen verursache Inhaltsstoffe (z.B. Medikamentenrückstände) beinhalten, die auf die aquatische Fauna nur teilweise bekannte Wirkungen haben, muss unbedingt hier eingegriffen werden. Bekannt sind hier frei verkäufliche Schmerzmittel mit Wirkstoff „Diclophenac“ oder „Östrogene“ und viele andere, die in Kläranlagen nicht herausgenommen werden, somit in die Fließgewässer gelangen und sich auf die Fortpflanzung der Fische und sicher auch anderer Tiere auswirken. Bekannt sind z.B. verweiblichte männliche Barsche, die in ihren Hoden Eier produzieren, was wohl auf Wirkstoffe aus der Antibabypille (Östrogene) zurückzuführen ist. Folge: Fische pflanzen sich nicht mehr fort. Deshalb muss hier die unabhängige, wissenschaftliche Forschung verstärkt werden und die von allen Menschen über Ausscheidungen (oder auch Entsorgung von abgelaufenen Medikamenten über die Toilette) in die Fließgewässer eingebrachten dubiosen Stoffe, einer unabhängigen Untersuchung und Bewertung unterzogen werden.

Unsere Fließgewässer sind wirklich die „Lebensadern unserer Landschaft“, denn darin, nimmt man noch die Ufer und Auen dazu, leben fast 70 Prozent aller Arten. Doch sieht man näher in den Wasserkörper hinein, so stellt man fest, dass das abfließende Wasser eher ein Cocktail aus allen möglichen, von uns Menschen bewusst oder unbewusst eingebrachten (Gift)Stoffen und ihren Metaboliten ist. Diese Lebensadern verkümmern immer mehr zu lebensfeindlichen, artenarmen und den Tieren das Leben zur Hölle machenden Lebensstätten.

Wir Menschen rühmen uns, intelligente Wesen zu sein, doch wir wären mit unserer Intelligenz weit überfordert in einem solchen unwirtlichen, vergifteten Lebensraum unser Leben leben und fristen zu müssen.

Wenn wir unsere Mitgeschöpfe im terrestrischen und aquatischen Lebensraum ausgerottet haben, werden wir diese Ausrottung nicht mehr miterleben können, denn wir wären schon lange bevor es soweit käme längst verschwunden. Ohne uns Menschen würde sich der Globus sicher schnell erholen und einige Arten würden überleben und in einen gegenüber heute paradiesischen Zustand unserer Erde zurückkehren!

Winfried Klein
VHF-Referent für Öffentlichkeitsarbeit

2014
Der Flutende Hahnenfuß (R. fluitans) ist nur gering ausgebildet, weil im Frühjahr starkes Hochwasser mit lehmiger Verfärbung war (Einschwemmung von Herbiziden)

Fotos: W. Klein

2015
Der Flutende Hahnenfuß an gleicher Stelle und gleichem Zeitpunkt wie 2014  ist gut ausgebildet und  20 Meter lang, weil im Frühjahr kein Hochwasser war