Rheinangler sind jetzt gefragt

Der vom Meer zum Laichen ins Süßwasser aufsteigende Maifisch (wissenschaftlich Alosa alosa, davon auch der andere deutsche Name Alse), eine bis über 60 cm lang werdende Heringsart, war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in Rhein, Elbe und Weser ein Massenfisch, dessen Erscheinen in den Flüssen im Mai und Juni ein wichtiges Standbein der Berufs- und Angelfischerei war. Am Niederrhein war die Maifischzeit ein Anlass für Volksfeste. Das ist sie heute noch im Südwesten Frankreichs, in der Partnerregion Hessens, der Aquitaine. Die Schwesterart des Maifischs, die sehr ähnliche, aber kleiner bleibende und weniger wohlschmeckende Finte (Alosa fallax), deren deutscher und wissenschaftlicher Name die (ent-)täuschende Ähnlichkeit ausdrückt, wurde ebenfalls in Massen gefangen und örtlich gar als Dünger genutzt: Zu jedem Steckling legte man eine Finte ins Pflanzloch. Beide Arten erlebten ab den 1920er Jahren einen enormen Rückgang in den deutschen Flüssen. Ursachen waren die enorme industrielle und fäkalische Verschmutzung, die Errichtung von Wanderhindernissen und eine massive Überfischung, verstärkt durch die Verwendung motorgetriebener Fischerboote und Treib- und Zugnetze („Dampfzaise“). Nach 1960 waren Maifisch und Finte im Rhein ausgestorben.

Maifischprojekte

Die Aussterbeursachen sind heute weitgehend beseitigt. 2007 haben deshalb die Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen, letzteres vertreten durch das HMUKLV, ein Projekt zur Wiederansiedlung des Maifischs im Rheinsystem gestartet. Beteiligt sind daran neben privaten Stiftungen auch Fischereiverbände aus den Niederlanden, NRW und, seit 2009, auch der VHF als Ko-Finanzierer des Projekts. Das als sog. LIFE-Projekt von der EU massiv geförderte Projekt (von 2012 bis 2016 fortgeführt als LIFE+ Projekt) klärte 2007 unter Mithilfe des VHF (vgl. Hessenfischer Nr. 1, Juli 2007) zunächst das Vorliegen günstiger Voraussetzungen in NRW und Hessen ab und begann ab 2008 mit einem massiven Besatzprogramm im nordrhein-westfälischen und hessischen Rhein. Aus der europaweit letzten noch starken Population des Maifischs im südwestfranzösischen Einzugsgebiet der Flüsse Garonne und Dordogne in der Aquitaine wurden unter Mithilfe französischer Partner (u. a. MIGADO, Association pour les Grands Migrateurs en Garonne et Dordogne) Laichfische gefangen, abgestreift und die Eier in französischen Partnerbetrieben erbrütet und zu Larven von ca. 20 mm Länge herangezogen. Sie wurden innerlich chemisch markiert, um sie von natürlich reproduzierten Jungfischen unterscheiden zu können. Ab 2008 wurden jährlich über eine Million Stück in Hessen und NRW in den Rhein ausgesetzt. Besatzschwerpunkte in Hessen sind das „Lerchenloch“ und der Erfelder Altrhein, mögliche Laichbänke liegen auf Höhe Biblis-Nordheim, Biebesheim und in kleinerer Ausprägung an vielen Buhnenfeldern und Kiesufern bis hinab in den Rheingau. Mit der Zeit sind auch die Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, die Sportvisserij Nederland und die Schweiz zu dem Projekt dazu gestoßen. In 2017 wird das Projekt vorerst ohne EU-Förderung weitergeführt, weil der Folgeantrag 2016 wegen zusätzlicher Anforderungen an das Projektmanagement (es fehlte u. a. eine Lenkungsgruppe) zunächst von der EU-Kommission zurückgewiesen wurde. Für 2018 ist eine neue EU-Förderung in Aussicht genommen. Das Projekt wurde zu Anfang von Dr. Peter Beeck und jetzt von Dr. Andreas Scharbert geleitet und ist administrativ beim NRW-Umweltministerium angegliedert.

Erfolge

Zur Vorbereitung auf den neuen Projektantrag und zur Vorstellung der bisherigen Bilanz der Projekte trafen sich am 13. April 2017 Experten und Vertreter der Projektpartner auf dem von Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellten Mess- und Kontrollschiff „Burgund“ zu einer Informationsfahrt auf dem Rhein.  Die dort vorgestellte Bilanz kann sich sehen lassen: Im freifließenden Rhein unterhalb Iffezheim liegen nach derzeitiger Kenntnis mehrere aktive Laichplätze der Art. Es wurden oberhalb und unterhalb Iffezheim Jungfische nachgewiesen, die aus natürlicher Vermehrung stammen. In der Kontrolleinrichtung im Fischpass der Staustufe Iffezheim wurden 2014 mit 154, 2015 mit 84 und 2016, trotz langer Hochwasserperioden mit stark beeinträchtigter Zählung gerade während der Maifischzeit, immerhin noch mit 19 Individuen wieder Stückzahlen der Art nachgewiesen – nach Jahrzehnten nur ganz vereinzelter Nachweise. Für die lange Strecke unterhalb Iffezheim gibt es keine vergleichbaren Direktnachweise, weil im freifließenden Rhein die entsprechende Beobachtungsmöglichkeit fehlt. Es erfolgen jedoch auch hier zunehmend Nachweise durch Berufsfischerfänge und Totfunde am Ufer (die Alttiere sterben nach dem Laichvorgang). Der natürliche Bestandsaufbau hat also unzweifelhaft begonnen.

Erfolgskontrolle

Die große Aufgabe ist jetzt das Monitoring, d. h. die Erfolgskontrolle und Überwachung der sich aufbauenden Bestände. Hierin liegt, neben einer Fortsetzung des jährlichen Besatzes, der Arbeitsschwerpunkt des Jahres 2017 und der Folgejahre, dann hoffentlich wieder als EU-LIFE+ Projekt. Wie aber will man in einem riesigen Wasserkörper wie dem Rheinstrom solche immer noch seltenen Fische nachweisen? Hier hilft uns der Maifisch selber: Sein Liebesspiel bei der Fortpflanzung ist derart auffällig und laut, dass es in Frankreich schon lange als Beobachtungsmöglichkeit genutzt wird.  Bei dem paarweisen Laichakt verfolgen sich die Partner eng im Kreis schwimmend und mit den Schwanzflossen laut plätschernd an der Wasseroberfläche, das Wasser ‚kocht’, in etwa wie Brassenlaichen hoch drei. Der französisch „bull“ (dt. etwa Blase, Aufwallung) genannte Laichtanz findet zwar in der Dämmerung oder nachts statt, ist aber weithin zu hören. In Frankreich wird das Geräusch mittels elektroakustischer Aufzeichnungsgeräte und durch direktes Verhören zum Nachweis von Laichplätzen genutzt. Im deutschen Maifisch-Projekt sind deshalb auch Umweltakustiker und -informatiker der Hochschule Trier unter Leitung von Prof. Stephan Stoll beteiligt. Erste Erfahrungen sollen hier 2017 in Pilotprojekten der Uni an den bereits nachgewiesenen Laichplätzen am Niederrhein gewonnen werden. Wenn das gut funktioniert soll es später auch in Hessen so gemacht werden.

Rheinangler bitte mithelfen

Bis dahin können die hessischen Rheinangler einen bedeutenden Beitrag leisten: Bitte achten Sie in den Monaten Mai bis Ende Juli, insbesondere beim Nachtangeln an Kiesbänken (z. B. Biblis-Nordheim beim „Fauti“ alias Gasthaus Rheinfähre, oder in Biebesheim beim „Burger“) oder auch in Buhnenfeldern und an Kiesufern mit Anströmung am gesamten hessischen Rheinstrom, auf auffällige Plätschergeräusche und Oberflächenaktivität. Bitte melden Sie solche Vorgänge mit genauer Ortsangabe an den VHF, am besten per Mail an r.hennings@hessenfischer.net; notfalls auch telefonisch an die Hauptgeschäftsstelle 0611-30 20 80.  Genauso wichtig ist es, dass Sie eventuelle Angelfänge von heringsähnlichen Fischen (ein Maifisch an der Fliegenangel aus 2015 ist dokumentiert) und bitte unbedingt auch Funde von abgelaichten Alttieren, die tot am Ufer angeschwemmt wurden, an die genannten Adressen melden, alles möglichst mit Fotos. Jeder mit Foto oder Video sicher dokumentierte Maifisch oder Laichtanz vom hessischen Rhein wird vom VHF mit 10 € honoriert, maximal jedoch 50 Meldungen.

  • Video- und Tondatei vom Laichvorgang,
  • Hinweise auf bevorzugte Laichorte,
  • Weitere Informationen zur Biologie und Bestimmung des Maifischs
  • Meldebogen

Länderübergreifende Informationen zum Projekt finden Sie in einem Projektflyer (Download unter https://www.lanuv.nrw.de/uploads/tx_commercedownloads/12024.pdf ), auf der Homepage des LIFE+ Projekts (www.alosa-alosa.eu) sowie beim Landesamt für  Umwelt- und Verbraucherschutz NRW (http://www.lanuv.nrw.de/alosa-alosa-2011/de/maifisch.html).

Liebe Rheinangler: Helft mit, dass der große Süßwasserhering wiederkommt und eines Tages keine Stützung durch den Menschen mehr braucht!

Rainer Hennings
Referent für Naturschutz im VHF

Die zukünftige Lenkungsgruppe des Maifisch-Projekts (v. l. n. r.):
Christof Heider (HIT-Umweltstiftung), Dr. Andreas Scharbert (Projektleiter), Markus Guinchard (MUEEF RLP),
Ing. Gerard de Laak (Sportvisserij Nederland), Prof. Stefan Stoll (Umweltcampus Birkenfeld d. Hochschule Trier),
Dr. Peter Beeck (MKUNLV NRW), Dr. Klaus Wendling (MUEEF RLP), Dr. Gerald Kunzelmann (RP Darmstadt i. V. d. HMUKLV),
Patrick Heinz (RP Darmstadt), Rainer Hennings (VHF).
Auf dem Foto fehlt Dr. Stefan Staas (Ruhr-Fischereigenossenschaft), der freundlicherweise den Auslöser drückte.
Es werden noch dazu kommen Vertreter des Landes (RP Karlsruhe) und des Landesfischereiverbandes Baden-Württemberg, sowie der Schweiz und der Bezirksregierung Düsseldorf. Die Kürzel mit den vielen Buchstaben stehen für die Umweltministerien der beteiligten Bundesländer.
Foto: R. Hennings