In der Nacht zum Donnerstag, den 5. Oktober, traten in Laubus-Eschbach (bei Weilmünster) aus einer Biogasanlage mehr als 600.000 Liter Biogasgülle (verharmlosend auch Gärsubstrat genannt) aus und liefen ungehindert in den Dernbach, von dort in den Bleidenbach und weiter nach etwa 7 Kilometern in die Weil, um schließlich nach weiteren 23 Kilometern in die Lahn zu münden. Letztlich ist diese unglaublich gewässerfeindliche Gülle nach weiteren 94 km Lahn bei Lahnstein im Rhein und weiterführend in der Nordsee gelandet.

Als etwa gegen 9.30 Uhr die Untere Wasserbehörde durch den Betreiber informiert wurde, war die Anlage schon leer gelaufen. Ich, der Gewässerwart des Fischerei-Sportvereins Oberlahn (Weilburg), hatte zufälligerweise ein Telefongespräch mit der UWB, als dieser Anruf einging. So informiert fuhr ich von der Weilmündung in die Lahn aufwärts und stellte fest, dass die Gülle schon bis nach Essershausen unterwegs war, das Weil-.Wasser intensiv braun verfärbte und üblen Gestank verbreitete. Der Weg von der Biogasanlage in Laubus-Eschbach über die genannten Bäche beträgt bis Essershausen etwa 13 km. Das bedeutet, dass die Gülle bei einer angenommenen Fließgeschwindigkeit von 0,6 m/s mindestens schon 6 Stunden bis nach Essershausen unterwegs war und somit um ca. 4 Uhr morgens ausgetreten sein muss.
Der Bleidenbach und die Weil waren eine tief braun gefärbte Gülle-Brühe, die aus der Biogasproduktion stammend sauerstofffrei war, und dem Wasser der Bäche sofort den Sauerstoff komplett entzog. Auch die Weil wurde über 23 Kilometer bis in die Lahn verseucht und alle Fische und der größte Teil der Nährtiere wurden getötet. Welcher Schaden in der Lahn eingetreten ist, wird wohl erst im kommenden Jahr zu ermitteln sein, denn in den fast stehenden Stauhaltungen hat sich ein Teil der Belastung aus der Gülle abgesetzt und könnte im kommenden Frühjahr zur Zeit der Massenalgenentwicklung zu erheblichen Problemen und u.U. sogar zu Fischsterben führen.
Es wurde in der Biogasanlage keine Gülle zurückgehalten, da diese, wie noch sehr viele andere Anlagen in Hessen, keinerlei Rückhalte oder gar Auffangmöglichkeiten haben. Es ist eine unglaubliche Nachlässigkeit des Landes Hessen, das solche Anlagen ohne jegliche Sicherheitseinrichtungen (Umwallung, Auffangbecken) genehmigt und bis heute betrieben werden dürfen. Die betroffene Anlage in Laubus-Eschbach war die erste in Hessen im Jahre 2002 erbaute Anlage und wie bekannt wurde, gab es schon einmal ein ähnliches Problem vor etwa 10 Jahren, das nicht an die Öffentlichkeit gelangte, aber aus Feuerwehrkreisen jetzt publik wurde.
Wenn man bedenkt, was bei der Aufstellung von Heizölbehältern in Kellern für ein Aufwand betrieben werden muss, so ist man fassungslos über die nicht vorhandene Sicherheit bei gewässerschädigenden Anlagen. Scheinbar ist in unserem Staate alles gut, was die Bezeichnung „Bio“ im Namen beinhaltet und die Bürger sollten auch in anderen Fällen sehr wachsam mit diesem irreführenden, Reibach bedeutenden Pseudonym umgehen.

Die Gülle ist nicht nur sauerstofffrei, sondern hat einen sehr hohen Gehalt an hoch giftigem Ammoniak (NH+4), das im Wasser erledigt, was der fehlende Sauerstoff noch nicht angerichtet hat. Die Überlebenschance für Fische und andere Wasserbewohner ist bei solchen Konzentrationen über mehrere Stunden gleich Null. Der Fischerei-Sportverein Oberlahn hat alle betroffenen Gewässer gepachtet. In den Gewässern war ein guter Bachforellenbestand, der jährlich sogar viele Forellensmolts produzierte, die bei der Abwanderung der Weillachse im Monitoring beobachtet werden konnten. Sie entwickeln sich zu Meerforellen. Daneben existierte ein sich selbst erhaltender Äschenbestand, für die seit Jahren ein Entnahmeverbot aus Artenschutzgründen besteht. Neben Elritzen, Groppen, Haseln gab es natürlich auch Döbel, die von den Anglern kurz gehalten wurden. Vom Land Hessen war die Weil als Lachswiederansiedlungsgewässer ausgewiesen, darüber hinaus wurde von der IG-LAHN neben Lachs auch Schneider und Elritze angesiedelt; letztere um mit diesen Fischen die Wiederansiedlung der Bachmuschel durch deren Infizierung mit Glochidien der Bachmuschel in der Weil zu bewerkstelligen. In der Lachszucht und Hälteranlage der IG-Lahn wurden die Elritzen mit den Glochidien der Bachmuschel infiziert, die aus dem letzten Reliktvorkommen aus dem Seenbach im Vogelsberg stammten. Neben den genannten Arten sind natürlich auch alle sonstigen Fische und Wirbellosen erstickt. Alle diese ehrenamtlichen, aufwendigen und im Sinne der Biodiversitätsstrategie des Landes Hessen betriebenen Projekte wurden durch die Biogashavarie rigoros zerstört. Ein großer Teil wichtiger, arbeitsintensiver, ehrenamtlicher Artenschutzarbeit wurde vernichtet.
Da wir keinerlei exakte Erkenntnisse über Biogasanlagen in Hessen haben, wurde von uns eine Anfrage an die hessische Landesregierung initiiert, um in Erfahrung zu bringen, wie viele Biogasanlagen es in Hessen gibt, wie viele davon Schutzeinrichtungen gegen derrartige Havarien haben. Wir fordern die sofortige Stilllegung aller Anlagen ohne Schutzeinrichtungen. Es ist nicht hinnehmbar, dass für eine absolut marginale Menge elektrischen Stromes ganze Gewässerläufe  enorm und nachhaltig geschädigt werden wie im vorliegenden Fall. Dies ist auch aus Artenschutzgründen nicht hinnehmbar und zwar auch nicht in Zeiten, wo tagtäglich über den Klimawandel fabuliert und kräftig von den Geschäftemachern überzogen wird!

Auch in der Lahn bei Runkel ca. 16 Kilometer unterhalb der Weilmündung, konnte man noch Tage lang starke Schaumbildung beobachten. Wie sich diese Havarie in allen betroffenen Gewässerläufen und der Lahn ausgewirkt hat, wird derzeit von einem amtlich bestellten Fachgutachter untersucht und in einem Schadensgutachten dokumentiert.
Was mich bei der Ankunft an der Biogasanlage ca. 1 Stunde nach dem Anruf bei der Wasserbehörde sehr erstaunt machte war, dass an der Unfallstelle außer 2 Personen der Wasserbehörde niemand zu sehen war. Man hatte den Eindruck, dass man die Havarie nicht in die Öffentlichkeit bringen wollte. Weil solche von mehreren Seiten verschuldete Vorkommnisse an die Öffentlichkeit gebracht werden müssen, informierte ich die Medien sowie die Polizei/Wasserschutzpolizei und publizierte es über Facebook.

Diese schlimmen Biogasunfälle sind aber nur die eine Seite der Medaille, denn die Gülle und ebenso die Gülle aus der Tierhaltung gelangt natürlich auch über andere Pfade in die Gewässer. Gerade in den jetzigen Tagen im Herbst kann man überall beobachten, dass Wiesen und Felder nicht nur braun gespritzt (Glyphosat – ein anderes Problem) sondern überall bis nahe an die Gewässer als auch in hanggeneigten Flächen die Gülle ausgebracht wird. Beim nächsten Regenguss wird ein Teil abgeschwemmt und landet in ganz Deutschland von den Flächen in die nahen Gewässer. Der Schaden in den Gewässern ist enorm und müsste eigentlich bei der bisher verschlampten Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (Termin: 22.12.2015!) zu Tage gefördert werden.
Wer Interesse hat, sollte sich einmal im Internet die HLNUG-Messstation Oberbiel (in google HLNUG, Messstation Lahn eingeben) an der Lahn im kommenden FrühjahrApril/Mai (oder rückwirkend ab 2003) im Internet anschauen. Durch die Überdüngung kann man die Massenalgenbildung an der Braunfärbung des Lahnwassers, den hohen Sauerstoffübersättigungen / Sauerstoffdefiziten im Tag-./ Nacht-Rhythmus und den hohen pH-Werten (bis >pH10) erkennen, die ein Leben von Wassertieren in dieser „Brühe“ fast unmöglich machen.

Wie häufig Biogashavarien vorkommen, ist aus Bayern belegt. Eine Kleine Anfrage des SPD-MDL Scheuenstuhl förderte zu Tage, dass es zwischen 2004 und 2013 (10 Jahre) in bayerischen Gewässern zu 657 Biogashavarien mit Gewässerverunreinigungen und Fischsterben gekommen ist.

Winfried Klein
Gewässerwart FSV-Oberlahn e.V. 1885

Fotos: W. Klein