40.000 Jungaale für den Rhein

Hessen und seine Angler helfen dem Aal

Land Hessen finanziert, die Angler machen’s vor Ort

Der früher in fast allen Gewässern zahlreiche Aal ist heute eine gefährdete Art: Seit 2009 wird er in der Roten Liste des Bundes als “vom Aussterben bedroht” geführt, seit 2013 auch in Hessen. Zwar gibt es noch Aale in den meisten Flüssen, aber: Der Zustand der Populationen eines Flusseinzugsgebietes lässt sich am besten an den Küsten am Glasaal-Aufstieg in die Flüsse ablesen. Und dieser ist in den letzten 25 – 30 Jahren total eingebrochen: Von der Größenordnung Tonnen noch in den 80ern auf die Größenordnung Kilogramm, bestenfalls Zentner, in den 2010er Jahren. Verantwortlich für diesen Rückgang ist ein ganzes Bündel von Ursachen, die meisten davon sind vom Menschen gemacht: Wehre verhindern den Aufstieg, wodurch Lebensräume ausfallen; Wasserkraftanlagen, oft in ganzen Ketten in den Flüssen installiert, häckseln in ihren Turbinen erhebliche Prozentsätze der absteigenden Blankaale; in Südwesteuropa werden Glasaale in beträchtlichen Mengen gefangen und als Delikatesse verspeist; in vielen küstennahen Gebieten sind Blankaale noch ein Brotfisch der Berufs- und Nebenerwerbsfischer und auch die Angelfischerei hat mit dem Fang von Gelb- und Blankaalen einen Anteil an der fischereilichen Sterblichkeit. Auch an einigen auf den ersten Blick “natürlichen” Ursachen ist der Mensch nicht unbeteiligt: Klimafaktoren verändern Meeresströmungen und behindern so in manchen Jahren die Rückdrift der Larven über den Atlantik; der “natürliche” Kormoran ist durch einen übertriebenen Schutz in Überzahlen vorhanden und dezimiert Gelb- und Blankaale, und der “natürliche” Schwimmblasenwurm ist ein mit Fischtransporten aus Ostasien eingeschleppter Parasit. Er schwächt viele Elterntiere, so dass sie die 6.000 Kilometer lange Reise zum einzigen Laichgebiet der Art in der karibischen Sargassosee nicht mehr schaffen. Hier haben wir Menschen Einiges gut zu machen, wenn wir den Aal mit seiner faszinierenden Lebensweise nicht verlieren wollen.

Das hat auch die EU erkannt und verpflichtet seit 2007 die Mitgliedsstaaten im Rahmen der Europäischen Aalverordnung zur Aufstellung von Aal-Bewirtschaftungsplänen. Ziel ist, dass mindestens 40% der ehemals vorhandenen und aus historischen Quellen ermittelten Biomasse an Laichtieren den Abstieg bis ins Salzwasser erfolgreich schaffen. Dies wirkt bis nach Hessen. In Hessen ist der Rhein ohne Zweifel das größte Aal- Einzugsgebiet und das größte und am meisten frequentierte Angelgewässer. Das Fischereirecht liegt beim Land Hessen, das über die Hessische Landgesellschaft (HLG) für den Rhein Erlaubnisscheine ausgibt. Sehr viele organisierte und nicht organisierte Angler machen davon Gebrauch. Ihre Interessenvertretungen, voran der VHF und die Interessengemeinschaft der Rheinanliegervereine e. V. (IG Rhein), aber auch Vertreter größerer Vereine an der Rheinfront haben in den letzten Jahren gemeinsam regelmäßig Gespräche mit der HLG geführt, um die in den letzten Jahren sich verschlechternden Bedingungen für die Angler am Rhein und ihre Fische zu verbessern. In dieser Runde kam der Vorschlag auf, nach einer Pause von gut 14 Jahren erstmals wieder einen Besatz am Rhein durchzuführen. Es war schnell klar, dass der Aal dieses am nötigsten braucht und dass es ohne ein Zusammenwirken aller Seiten nicht gehen könnte.

So wurde 2016 erstmals ein Besatz von 40.000 Jungaalen, verteilt auf die 65 km lange Strecke zwischen der Landesgrenze bei Lampertheim und Wiesbaden organisiert, auch als Beitrag des Landes Hessen zur Umsetzung des EU – Aal-Bewirtschaftungsplans für das hessische Rhein-Einzugsgebiet. Die Finanzierung der Besatzfische übernahm die HLG aus den Mitteln des Verkaufs der Rheinscheine, die Organisation und Finanzierung einer wissenschaftlichen Begleitung sowie die überörtliche Koordination übernahm die Obere Fischereibehörde des RP Darmstadt, und eine Vielzahl von Angelvereinen und Anglern aus dem VHF und die IG Rhein übernahm die Organisation der ehrenamtlichen Besatzdurchführung vor Ort mit einer größeren Zahl von ausreichend motorisierten und bemannten Booten. Der geplante Besatztermin musste wegen der andauernden Hochwässer im Juni mehrfach verschoben werden. Am 23. Juli 2016 war es dann endlich soweit: Rund ein Dutzend Boote, überwiegend von Anglern, aber auch vom Berufsfischer und vom fischereibiologischen Institut, übernahmen an vier Übergabestellen die von der Fa. Rameil, Fritzlar gelieferten Jungaale. Diese waren in einer Aquakultur vom stricknadeldicken, 7 bis 10 Zentimeter kurzen Glasaal auf rund 20 cm Länge und 9 – 11 Gramm Stückgewicht vorgestreckt worden, um zumindest den zahlreichsten Fressfeinden, den Grundeln, nicht mehr gleich als willkommenes Futter zu dienen. Die Tiere wurden an Bord der Boote in großen Behältern unter Belüftung gehältert. Sie mussten mit dem Brutkescher in kleinen Portionen, in den Altrheinen sogar einzeln oder paarweise, in der Nähe geeigneter Deckungsstrukturen im Uferbereich verteilt werden – eine Herkulesaufgabe, die ohne die vielen ehrenamtlichen Angler nicht hätte bezahlt werden können. Es war erfrischend zu sehen, wie vital und verhaltenssicher die freigelassenen “Älchen” sich zielstrebig nach unten und zum Ufer hin orientierten – wo sie erst einmal eine Deckung erobern mussten, denn viele der Steinlücken oder Wurzelstandorte sind bereits besetzt, unter anderem durch die massenhaft vorhandenen Grundelarten. Durch ihre vorgestreckte Größe und die hohe Fitness (ein Lob der Fa. Rameil!) haben sie dabei aber gute Chancen.

Das Wetter spielte hervorragend mit: Weiß-blauer Himmel, ruhiger Wind und ein günstiger Pegelstand ließen die Aktion gut gelingen. Dank der Erfahrung der Angler gab es keine Verluste an Fischen oder Material, alle Boote und Besatzungen kamen gut wieder nach Hause und das in der Ferne vernehmliche Gewittergrollen beließ es beim Lärm. Ein abschließender Erfahrungsaustausch steht noch aus, aber alle Beteiligten sind sich einig, dass es ein wohl anstrengender, aber schöner Tag auf dem Wasser mit einer sehr sinnvollen Tätigkeit war.

An der Vorbereitung und Durchführung beteiligt waren:

  • Klaus Däschler, Präsident des Verbandes Hessischer Fischer e. V. (VHF)
  • Karl Schwebel, Regionalgeschäftsstelle Südhessen beim VHF
  • Rainer Hennings, Naturschutzreferent beim VHF und Florian Schumacher für den ASV Lorsch-Einhausen (Besatz Lampertheimer Altrhein)
  • Klaus Brunner, 1. Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Rheinanliegervereine (IG Rhein)
  • Matthias Seidenspinner, Gewässerwart ASV 1920 Lampertheim e. V.
  • Helmut Wegerle, Schatzmeister ASV 1920 Lampertheim e. V.
  • Thomas Unger, 1. Vorsitzender ASV 1928 Biebesheim / RH e. V. (Besatz Strom Gernsheim/Biebesheim)
  • Björn Holm, Gewässerwart ASV 1928 Biebesheim / RH e. V. (Besatz Strom Gernsheim/Biebesheim)
  • Thomas Hof, 1. Vorsitzender ASV Ginsheim 1923 e. V. (Besatz Strom und Altrhein Ginsheim bis Mainspitze)
  • Toni Kaiser, ASV Mainz-Kastel (Besatz Wiesbaden)
  • Dr. Egbert Korte, INGA – Institut für Gewässer- und Auenökologie, Standort Riedstadt (wissenschaftliche Begleitung und Koordination; Besatz Kühkopf)
  • Dieter Stitz, Einhausen; Berufsfischer und Pächter am hessischen Rheinstrom (Besatz Strom Lampertheim-Gernsheim)
  • Patrick Heinz, RP Darmstadt, Dezernat V 51.1 – Obere Fischereibehörde
  • Armin Diers, Hessische Landgesellschaft, Walldorf
  • Fischzuchtbetriebe Herrmann Rameil, Fritzlar (Lieferung der Besatzfische)
  • Superpet GmbH Bischofsheim (Ausleihe Fischtransportbehälter, Mithilfe)
  • Sebastian Jäger, Angler aus Riedstadt (Besatz Stockstädter-Erfelder Altrhein)

Die fett gedruckten waren beim Besatz am Samstag, 23.7. mit meist mehreren weiteren Helfern im Einsatz. Der ASV Lampertheim konnte an dem wegen Hochwasser mehrfach verschobenen Besatztermin leider nicht mehr teilnehmen. Sein Part wurde von Dieter Stitz mit übernommen. Es werden sicher viele, besonders aus den Bootsbesatzungen, hier nicht benannt. Auch ihnen gebührt großer Dank für den ehrenamtlichen Einsatz. Die Natur wird es uns Allen danken – ganz besonders, wenn jetzt auch noch an den anderen Stellschrauben (Kormoran, Wasserkraft, etc.) etwas getan würde…

Rainer Hennings
VHF-Referent Naturschutz

Weitere Informationen stehen auf der Internetpräsenz des Regierungspräsidiums Darmstadt, www.rp-darmstadt.hessen.de im Navigationsbereich Umwelt und Verbraucher >> Landwirtschaft/Weinbau >> Fischerei >> Fischartenschutz >> Aal bereit.